Es ist so wichtig zu verstehen, dass Berührbarkeit und echte Nähe eins sind.
Bitte, verwechsle Berührung nicht mit reiner Körperlichkeit. Nähe zwischen Menschen besteht aus so viel mehr als nur physischem Kontakt. Nähe ist seelische Nacktheit, Empathie, Akzeptanz, Annahme, Anlehnung und Hingabe.

Solange du Schutzpanzer und Masken trägst, täuschst du nicht nur dich selbst, sondern auch andere. Du kannst nicht unverwundbar werden. Du kannst bloß so tun, als wärst du es.

Unsere Seele hat keine Panzer. Sie ist dazu weder ausgelegt noch fähig solche aufzubauen, weil es nicht in ihrer Natur liegt. Der einzige Ort, wo du dich unantastbar und unberührbar wähnen kannst, ist in deinem Kopf. Der Verstand erklärt sich ständig selbst, wie gut, stark, mächtig und unverwundbar er ist. Trotzdem bleibt das Herz, die Seele ungeschützt.
Man lernt niemals, unverwundbar zu sein. Man lernt nur, wie man die Verwundbarkeit, wie man die Berührbarkeit verbirgt.

Die nach außen hin härtesten Hundsknochen, die Machos und Femme Fatales, sind innerlich am tiefsten verletzt. Das kannst du mir gerne glauben, denn ich habe unzählige davon in den letzten anderthalb Jahrzehnten bei mir zur Sitzung gehabt.
Da brechen sie dann plötzlich auf, heulen wie Schlosshunde und wünschten sich, sie hätten die meiste Zeit ihres Lebens mehr Mut zur Verletzlichkeit, dafür weniger Angst vor Nähe und Berührbarkeit gehabt.

Merke dir bitte dies: Je härter ein Mensch tut, als desto stärker betrachtet man ihn zwar. Die Wahrheit aber ist, je härter sich ein Mensch gibt, desto schwächer ist er.
Kein Mensch ist stark, solange er Panzer oder Masken trägt, solange er nicht Berührbarkeit lebt und seelisch nackt vor der ganzen Welt steht.

Einsam sind sie, die vermeintlich Unberührbaren. Zutiefst einsam. Selbst in Gesellschaft sind sie einsam. Und dann sagen sie, diese Einsamkeit wäre ein Zeichen ihrer Freiheit, Stärke und Unabhängigkeit.

Der einsame Cowboy/das einsame Cowgirl, Kaugummi kauend, Glimmstängel im Mundwinkel und eine Hand stets am Colt – das ist nicht nur ein längst veraltetes Klischee, sondern auch ein extrem dummes. Es ist ein Bild absoluter Schwäche, nicht des Heldentums.

Lass es sein, nach Unverwundbarkeit zu streben. Es wird dir nie gelingen, denn wir sind alle verwundbar. Und je eher wir das akzeptieren, zulassen und bewusst leben, desto eher fühlen wir uns nahe, berührt und menschenwürdig.

Andersmensch