Ich möchte

„Ich möchte frei sein“, flüstert die Marionette leise und zieht an ihren Schnüren.
„Das wirst du, “ sagt der Puppenspieler, „wenn du noch ein wenig für mich tanzt!“
Er bewegt das Holzkreuz, an dem die Fäden befestigt sind und die Marionette tanzt für ihn.
Ihr aufgemaltes Lächeln schmerzt in ihrem Gesicht.
Ihre strahlenden Augen würden lieber weinen.
Doch sie tanzt.
Denn sie will frei sein.
Sie hat keine Wahl, denkt sie.

Am Abend, legt er sie zurück in ihre Kiste. Sie ist die einzige Marionette zwischen alten Stofffetzen, Nähnadeln und einer Schere.

Wie oft schon wollte sie die Fäden trennen mit eben dieser Schere, die Kiste aufdrücken und davon laufen.

Doch wohin?
Wo sollte sie hin?

Sie will frei sein.
Kann sie das?
Frei sein?
Wer kümmert sich dann um sie?

Am nächsten Tag geht die Kiste auf und der Puppenspieler holt seine Marionette aus ihrem dunklen Bett.
„Eigentlich ist er ja immer gut zu mir. Er versorgt mich und es mangelt mir an nichts.“ denkt sie.

Und während sie für ihn tanzt kullert eine kleine Träne aus ihren strahlenden Augen, über ihren lachenden Mund….
Ich will doch nur frei sein!

❤️

©️ Ramona Nabli, Seelenrauschen
Juni 2021