Social Media ist vollgestopft mit Seminaren um wahre Weiblichkeit zu verkörpern und zu leben.
Überall versucht uns jemand zu erklären, was Weiblichkeit beinhaltet und wie wir dahin kommen.
Belehrungen am Fließband.
Doch wenn ich mir die Frauen anschaue, die diese Seminare geben, spüre ich bei den wenigsten, dass sie wirklich da angekommen sind, wo sie uns hinführen wollen.
Auch ich nehme mich da nicht heraus.
Ich bin auf dem Weg in meine Weiblichkeit.
Vollständig angekommen – das kann ich nicht von mir behaupten.
Meist ist es mein Kopf, der mir erzählen will, was wahrhaft weiblich sei – wild, kraftvoll und gleichzeitig weich und sanft.
Aber mein Kopf kann das, was wirklich dahinter steckt gar nicht erfassen.
Vielmehr steht er mir im Weg und hindert mich daran meine Weiblichkeit zu erkennen und zu leben.
Ich bin immer sehr fürsorglich gewesen, die Retterin in der Not.
Doch Selbstaufopferung sieht gerne aus wie Fürsorge.
Zu lange schon war ich gezwungen, die männliche Energie zu leben.
Als alleinerziehende Mutter, berufstätig, hatte ich alles zu stemmen.
Haushalt, Arbeit, Kinder, für mich blieb wenig Zeit.
Wenn ich nicht in meiner männlichen Energie gewesen wäre, hätte ich das alles nicht stemmen können.
Und nun ist mir ein Mann begegnet.
Mein Seelenverwandter.
Über den ich bereits vor 9 Jahren – lange bevor wir uns kannten – einen Text geschrieben habe.
An seinem Geburtstag.
Er ist einer der wenigen, der in meinen Augen wahre Männlichkeit verkörpert.
Damit konnte ich erstmal nur schwer umgehen.
Immer wenn ich in die männliche Energie gegangen bin, hat er sich automatisch zurückgezogen.
Er spürte jede noch so kleine unausgesprochene Erwartung.
Und ich?
War verletzt, fühlte mich allein gelassen und hilflos.
Genau wie in meiner Kindheit.
Ich war beleidigt, vergrub mich im Selbstmitleid und zog mich ebenfalls zurück.
Es war der einzige Weg, den ich kannte um mit dem Schmerz umzugehen.
Mein Kopf redete mir ein, ich bin halt mal wieder zu viel – so wie immer.
Ich war es gewohnt, die Kontrolle zu haben.
Ich war es gewohnt, dass die Dinge nach meinen Vorstellungen laufen.
Und hier hat er mich extrem getriggert.
Klammern – läuft nicht.
Mich meinen Ängsten und meinem Kopfkino hingeben, noch weniger.
Ich durfte erkennen, dass meine Vorstellungen auf der männlichen Energie basieren.
Sie kamen aus meinem Kopf.
Nun ist es in erster Linie an mir, für mich selbst Sorge zu tragen.
Und das verändert, wie ich einem Mann begegne.
So oft habe ich davon gesprochen, dass ich einen wahrhaftigen Mann in meinem Leben will.
Aber als einer dieser wenigen vor mir stand, war ich überfordert.
Schnell tauchte der Impuls zu flüchten auf.
Weil er sich eben nicht kontrollieren lässt, geschweige denn zähmen.
Ein echter Mann ist frei.
Er lässt sich nicht klein machen, in eine Schublade packen und erst recht nicht in einem Nachttischchen verstauen.
Er ist nicht dazu da, dass wir uns gut fühlen.
Er lässt uns nicht in unserer vermeintlichen Komfortzone.
Er trifft uns da, wo es wehtut.
Eine Bindung mit einem solchen Mann verlangt uns alles ab, was nie zu uns gehörte.
Es funktioniert nicht, wenn wir unser Leben weiterführen möchten wie bisher.
Wenn wir wollen, dass er sich unseren Vorstellungen entsprechend verhält, wird er gehen und er tut gut daran.
Doch wenn wir uns entscheiden, diese Verbindung einzugehen, wird er uns fordern herauszukommen.
Aus unseren Mustern.
Aus unseren Ängsten.
Aus unserem Kopf.
Er fordert uns dazu auf, ins Gefühl zu kommen – vollumfänglich.
Zu vertrauen.
Uns hinzugeben.
Um gemeinsam im Herz anzukommen.
Ein echter Mann ist der Kelch und wir sind das Wasser.
Doch Wasser lässt sich nur schwer kontrollieren.
Wasser möchte fließen – frei und unbändig.
Es ist ein Wechselspiel.
Wir Frauen als das überschäumende Wasser, das sich in den Kelch ergießt.
Der Mann ist der Kelch, der dieses Wasser halten darf ohne es je kontrollieren zu können.
Denn Wasser ohne Kelch versickert und der Kelch ohne Wasser bleibt leer an Emotionen.
Das bedeutet, wir müssen uns voll und ganz unseren Emotionen hingeben.
Ich spüre das daran, dass ich ganz weich werde. Mein Kopf ist aus. Alles fließt. Und ich gebe mich ihm voll und ganz hin.
Hingabe ist ein zentraler Punkt in einer solchen Verbindung.
Und machen wir uns nichts vor, auch ein wahrer Mann ist auf dem Weg.
Auch ihn begleiten Schatten, Muster und tiefsitzende Ängste.
Es ist wichtig, dass wir Frauen tief verwurzelt sind in Mutter Erde. Verbunden mit der Leben-Tod-Leben-Natur. Verkörpert im Meer der Emotionen.
Nur so sind wir stark genug auch für den Mann den Raum zu öffnen für seine weitere Heilung.
Und hierfür braucht es Präsenz – in uns.
Zuhören ohne zu unterbrechen.
Kein Urteilen.
Kein Übernehmen der Mutterrolle.
Das war und ist zum Teil auch heute noch die größte Herausforderung für mich.
Ich war es gewohnt nicht nur zu nähren, sondern mich um alles zu kümmern.
Doch dadurch beschneiden wir einen Mann.
Wir machen ihn unmündig und sprechen ihm die Fähigkeit zur Eigenverantwortung ab.
Ich versuchte ihn unbewusst, aber aktiv in die Rolle des Sohnes zu drängen. Paradoxerweise würde ich mich jedoch sofort von ihm abwenden, wenn er das zuließe.
Es geht also darum, einem Mann seine Eier zu lassen und einfach nur da zu sein.
Ihn zu halten in seinem Schmerz.
Es ist so wichtig, ehrlich mit uns zu sein.
Uns unserem Wunsch, ihn oder die Situation ändern zu wollen – sei es aus Selbstschutz oder Mitleid – zu stellen.
Wir müssen uns damit befassen, warum wir diesen Wunsch haben.
Welche Ängste stecken dahinter und sie dann offen zu kommunizieren.
Ich für meinen Teil, lasse mich nicht mehr von meinen Ängsten beherrschen.
Ich spreche meine Wahrheit und ich sage ihm, dass ich ihn liebe.
Und auch wenn er dafür noch andere Worte benutzt, weiß ich, dass er mich liebt.
Denn auf die Worte kommt es nicht an.
Sondern auf sein Verhalten und mein Gefühl.
Ohne ehrliche Kommunikation funktioniert es nicht und diese beinhaltet immer unsere Selbstoffenbarung.
Und ja, wir machen uns dadurch verwundbar.
Aber es ist auch unsere einzige Chance auf Wandlung, auf Heilung, auf Glück.
© Corinna Blubb / Seelenwind