Wir erwarten, dass unsere Freunde uns zum Geburtstag gratulieren. Wir erwarten, dass der Bus und die Bahn sich an den Zeitplan oder das Wetter sich an den Wetterbericht halten. Wir erwarten, dass Mitarbeiter früh kommen, spät gehen und allzeit volle Leistung geben, dass Kollegen hilfsbereit sind, dass unsere Eltern oder Kinder uns ohne Gegenleistung lieben.
Treten diese Erwartungen ein, freuen wir uns, vertrauen unserer subjektiven Welt, und gehen weiterhin frohen Mutes voran. Bis zu dem Tag, an dem diese Erwartungen enttäuscht werden. Dann geht die Welt erst einmal kurz unter und wir werden zuweilen trotzig oder gar beleidigt und reagieren entsprechend. Das mag zwar manchmal als angemessen erscheinen, schadet am Ende aber doch nur uns selbst.
Einer Enttäuschung geht eine Erwartung voraus. Denn nur, wer sich zuvor ein Bild von dem gemacht hat, was passieren soll und was das gewünschte Ergebnis sein soll, kann enttäuscht werden. Jede Erwartung kommt auch mit einer Bewertung, die diese Erwartung mit dem Stempel ‚erfüllt‘ oder ‚enttäuscht‘ wieder von der Bühne des Lebens in die Umkleide schickt.
Keine Erwartungen zu haben bedeutet nicht, seiner Gleichgültigkeit freien Lauf zu lassen, dass einem alles egal ist. Es bedeutet, ohne Bewertung das anzunehmen, was ist und was kommt und die Menschen zu nehmen, wie sie sind, anstatt zu dem zu biegen zu wollen, was sie sein sollten. Es bedeutet auch, sich bewusst zu machen, wie dankbar du sein kannst, für alles, was du hast – selbst wenn oder gerade weil deine Erwartungen nicht erfüllt werden.
Sabi Ma